Dies ist ein Gastbeitrag von Claus Allert. Der Gastbeitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht unbedingt die Meinung des VDE dar.
Stabilität und Flexibilität für erneuerbare Quellen dank Speicher
Oleniczak: Herzlich Willkommen, Herr Allert, Sie sind Senior Expert Engineer bei der SMA Solar Technology AG und im VDE als stellvertretender Vorsitzender des Expertennetzwerks Speicher engagiert im Bereich FNN. Warum ist aus Ihrer Sicht das Thema Energiespeicher gerade derzeit so aktuell und welche Speichertechnologie hat aus Ihrer Sicht die besten Zukunftsaussichten?
Allert: Energiespeicher sind im Markt angekommen. Ihre Preise sind schneller gefallen als die Preise von PV-Anlagen und mittlerweile sind PV-Anlagen ohne Speicher kaum noch zu sehen. Neuinstallationen werden in der Regel in Kombination mit einem Speicher ausgeführt, der den selbst erzeugten Strom auch puffert. So kann man ihn zeitverzögert nutzen. Diese Anlagen werden hauptsächlich in Privathaushalten eingesetzt – im gewerblichen Bereich kommt man aber gerade auch auf den Geschmack. Lithium-Ionen-Speicher-Zellen, wie sie in E-Autos verbaut werden, sind derzeit führend. Diese Technologie ist mittlerweile erwachsen und wird zukünftig eine große Rolle spielen. Es wird hier sicher weiterhin Verbesserungen bei Qualität, Prozessstabilität und Lebensdauer geben, um den Ansprüchen bei vielen Einzelprodukten in der Elektromobilität gerecht zu werden. Große technische Veränderungen sehe ich hier in den nächsten fünf Jahren allerdings nicht. Die stationären Speicher profitieren hauptsächlich von der Elektromobilität, das sind sehr große Stückzahlen, die hier aufgerufen werden. Ein wichtiges Thema ist auch das Recycling – die nachhaltige Wirtschaft wird in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Oleniczak: Sie haben drei Schlagworte genannt: Netzstabilität, Recycling, Nachhaltigkeit. Können Speicher zur Netzintegration der erneuerbaren Energien und damit zum Gelingen der Energiewende beitragen?
Allert: Treiber der Energiewende sind hauptsächlich erneuerbare Quellen, die natürlich fluktuierend und nicht konstant sind. Der Speicher dient dem Ausgleich und verhilft uns so zu größerer Flexibilität. Damit meine ich einerseits die räumliche Flexibilität durch Optimierung der Netze und andererseits die zeitliche Flexibilität, also die am Tag produzierte Energie für die Nacht oder noch kürzer zu speichern. Für die Zukunft sind die Speicher wichtig, um die Netze trotz Abschaltung der etablierten Stromerzeuger stabil zu halten. Batteriespeicher ermöglichen dies, das haben Inselsysteme bereits in der Vergangenheit gezeigt. Grundsätzlich kann man mit spannungsstellenden batterieunterstützten Umrichtern, die mit einem Speicher ausgestattet sind, die Netze robust und stabil betreiben und so zur Energiewende beitragen. Wichtig für das Gelingen der Energiewende ist, jetzt die richtigen Weichen zu stellen, um voranzukommen. Dafür muss die Bundesregierung Hürden abbauen, um den Eigenverbrauch in Industrie und Gewerbe zu stärken.
Klimaziele durch Sektorenelektrifizierung und Abbau von bürokratischen Hürden erreichen
Oleniczak: Aus Ihrer Sicht können wir unsere Klimaziele dann doch noch bis 2045 erreichen?
Allert: Ich glaube ja. Wenn man die aktuellen Entwicklungen zur E-Mobilität sieht mit den Zuwächsen und das mal vergleicht mit z.B. der schnellen Entwicklung der Mobiltelefone bzw. Smartphones sehe ich da ausreichend Potential. Es wird noch viele Innovationen brauchen. Und die wird es auch geben, da bin sehr zuversichtlich. Wir dürfen die Zeit nicht mit Warten vergeuden, wir müssen etwas tun. Das gilt auch für die neue Bundesregierung, die hoffentlich zeitnah an die Arbeit geht und Taten folgen lässt, um die Weichen richtig zu stellen.
Zum Beispiel müssen die Ausbauziele auf den tatsächlichen Stromverbrauch und die gesteckten Ziele der Bundesregierung angepasst werden. Also mindestens 15 GW PV-Neu-Zubau im Jahr, sonst werden die angepeilten 65 % Erneuerbare Energien im Jahr 2030 nicht erreicht, und schon gar nicht die Klimaneutralität 2045. Der Netzausbau allein wird es nicht reißen, es gibt dabei sehr viele Hürden zu überwinden. Hier braucht es mehrere Wege, um alle Möglichkeiten und Chancen der Energiewende auszuschöpfen und die Klimakatastrophe zu verhindern.
Oleniczak: Wir kommen jetzt von der Langstrecke und müssen uns in den Sprint begeben, damit wir die gesteckten Klimaziele wie Netzausbau und Energiewende gemeinsam erreichen.
Allert: Ja, es müssen jetzt schnell bürokratische Hürden wie zum Beispiel beim Steuerrecht abgebaut und deutlich mehr PV auf die Dächer gebracht werden. Es sind im privaten, aber vor allem auch im gewerblichen Bereich noch zu viele Dächer ungenutzt. Außerdem müssen wir unsere Ziele für die erneuerbaren Energien deutlich ausbauen und die Sektoren wie Wärme, Heizung, Lüftung, Klimatechnik weiter elektrifizieren. All das braucht Anschub und Aktivität.
Oleniczak: Was würden Sie im Hinblick auf die Energieversorgung denjenigen empfehlen, die jetzt ein neues Eigenheim bauen oder ein bestehendes Haus sanieren?
Allert: Ich empfehle, wenn möglich, sowohl PV-Module auf dem Dach als auch einen Speicher zu installieren, um sich selbst mit Strom zu versorgen. Dies kann entweder durch Nachrüsten bei einer Renovierung oder Direktinstallation beim Neubau geschehen. Auch die Ladestation für ein E-Auto ist wichtig: entweder installieren Sie beim Bau direkt eine Wallbox in der Garage, auf dem Parkplatz oder im Carport, oder Sie sorgen dafür, dass sie später nachgerüstet werden kann. Bei der Planung sollten Sie zudem mehr Elektrifizierung berücksichtigen.
Wärmepumpen werden in Zukunft wahrscheinlich häufiger anzutreffen sein als die klassische Öl- oder Gasheizung. Achten Sie auf energiesparende Komponenten besonders bei Geräten, die im Dauerbetrieb sind, wie Kühl- und Gefrierschrank. Bei fast 9000 Stunden im Jahr bedeuten nur zehn Watt Mehrverbrauch über das Jahr fast zehn Kilowattstunden. Das ist eine ganze Menge, und es lohnt sich daher, diese Geräte energiesparend aufzurüsten.
Standort Deutschland: Technolgisch gut, im Handling noch ausbaufähig
Oleniczak: Das ist eine gute Entscheidungshilfe. Wie sehen Sie den Standort Deutschland im internationalen Vergleich in punkto Schnelligkeit, Innovation und Bürokratie?
Allert: Deutschland als Industrieland ist sicher nicht nur technologisch schon Vorbild für andere Länder. Das heißt aber auch, wenn Deutschland die Energiewende auf die lange Bank schiebt, dann werden es andere Länder ebenfalls tun, und die Energiewende ist nicht zu schaffen. Ich sehe Deutschland als Innovationstreiber und Exporteur von sauberer und nachhaltiger Energieversorgungstechnik. Für mich ist dies Anspruch und Ansporn zugleich: Schrittmacher und Vorbild zu sein.
Oleniczak: Was können wir uns von anderen Ländern abschauen?
Allert: Deutschland steht eigentlich schon recht gut da. Es gibt bei uns aber viele regulatorische Hürden bei den Themen Eigenverbrauch, Messtechnik, Abrechnung von Energie. Die Tarifstrukturen sind starr und wenig flexibel. Hier sind andere Länder schon deutlich weiter, zum Beispiel mit zeitvariablen Tarifen, Energiehandel und einer weniger aufwändigen Abrechnungstechnik. Wären bei uns die bürokratischen Hürden geringer, würde das auch den Einsatz von entsprechenden Systemen antreiben. Technologisch ist Deutschland gut gerüstet, im Handling können wir hingegen noch besser werden.
Oleniczak: Vielen Dank, Herr Allert
Zur Person
Claus Allert studierte Elektrotechnik an der Gesamthochschule Kassel – Universität. Seit 1997 ist er bei der SMA Solar Technology AG, Niestetal (vormals SMA-Regelsysteme GmbH) tätig. Nach mehreren Stationen arbeitet er heute als Systemarchitekt und Senior Expert Engineer im Bereich Business Development und Partner-Management und kümmert sich neben Systemkonzepten für komplexe Speichersysteme um Sicherheitskonzepte sowie nationale und internationale Normungstätigkeiten. Claus Allert ist stellvertretender Leiter des FNN-Expertennetzwerks „Speicher“.