Kick-off-Workshop SCM All Electric Society erfolgreich gestartet

Am 16. Mai 2024 war es nach langer Vorbereitung soweit: Die DKE stellte die Standardization Community Map zur All Electric Society (SCM AES) vor. Mit dem neuen digitalen Format wollen Expert*innen die Herausforderung der AES diskutieren sowie Lösungen und Normungslücken identifizieren. Ihr Ziel: Eine Normungsroadmap, die die Gestaltung der AES konkretisiert und den Gremien Anregungen für ihre Arbeit unterbreitet. Rund 65 Teilnehmende aus verschiedenen Normungsgremien waren der Einladung der DKE und des Arbeitskreises „All Electric Society“ gefolgt.

Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen, Präsident der DKE, betonte in seiner Begrüßungsrede, dass die „All Electric Society“ (AES) nicht ausschließlich auf Elektrizität setze, sondern alles, was sinnvoll elektrisch gemacht werden könne, auch elektrisch umgesetzt werden solle. Erneuerbare Energien in Erzeugung, Verteilung und Nutzung böten enorme Vorteile, aber auch andere Technologien wie grüner Wasserstoff spielten eine Rolle. Als Schlüssel sieht Dr. Bettenhausen die Vernetzung von Sektoren und Technologien sowie eine bessere Synchronisierung der Menschen. Mit der SCM setze man das DKE Commitment 2030 zur AES um. Die Plattform solle die Vernetzung vorantreiben und notwendige Standards und Normen identifizieren.

Vision und Strategie der „All Electric Society“

Klaus-Wolfgang Klingner, Director Corporate Standards & Business Environment bei der Hager Group und Vorsitzender des IEC-Komitees SC 23K „Electrical Energy Efficiency Products“, präsentierte die Vision und Strategie der „All Electric Society“ (AES). Ziel sei die vollständige Dekarbonisierung durch erneuerbare Energien bis 2045.

Elektrische Energie solle dann die Leitenergie sein und mit Hilfe von Informationstechnik die Sektoren Verkehr, Industrie, Gewerbe und Wohnen verbinden. Schlüssel seien die Elektro- und Informationstechnik, dezentrale Organisation erneuerbarer Energien, weitgehende Elektrifizierung, der Ausgleich von Energieangebot und -nachfrage sowie intelligente Sektorenkopplung. Letztere bedeute die Verbindung von Bereitstellung, Speicherung und Verbrauch durch Power-to-X-Technologien und Energiemanagement. Herausforderungen seien die Digitalisierung, Automatisierung und der Datenaustausch über Sektorengrenzen hinweg. Die Umsetzung der AES bedürfe ein verändertes Mindset in Wirtschaft und Gesellschaft.

Standardization Community Map (SCM) – Neues Konzept für die Normungsarbeit

Jens Viebranz, Abteilungsleiter Content und Community bei der DKE, stellte das neue Konzept der SCM vor. Ziel sei es, in wirtschaftlich und gesellschaftlich relevanten Innovationsfeldern, wie es beispielsweise die All Electric Society ist, die Herausforderungen in einer offenen und partizipativen Community zu bearbeiten und den Wissensstand zu kartographieren. Die SCM solle als Portal für Dialog und Koordination dienen. Dabei würden Inhalte in Form von Online-Beiträgen in verschiedenen Formaten bereitgestellt, die kontinuierlich aktualisiert und verbessert werden. Dies ermögliche eine schnellere Veröffentlichung und Partizipation. Das Portal bestünde aus einem öffentlichen Bereich für Information und Meinungsbildung sowie einem Community-Bereich für den tieferen Dialog und Diskurs. Letzterer basiere auf der Kollaborationsplattform des VDE und ermögliche die Organisation in Gruppen, Vernetzung, Online-Events und persönliche Feeds. Durch die digitale Form sei auch die Begleitung der Umsetzung möglich.

Durch den Dialog und den Diskurs der Herausforderungen in den Innovationsfeldern werden gemeinsam Lösungsvorschläge und Konzepte erarbeitet. So könnten notwendige Standardisierungsbedarfe identifiziert und entsprechende Handlungsempfehlungen und Maßnahmen im Kontext der Normung und Standardisierung abgeleitet und deren Umsetzung begleitet werden. Dieser kollaborative Ansatz ermögliche es, die Potenziale der gesamten Community zu nutzen und innovative Lösungen effizienter zu entwickeln.

Die Einführung der Standardization Community Maps bilde einen innovativen und zukunftsweisenden Baustein der zukünftigen Normungsarbeit. Viebranz betonte die Vorteile. Diese lägen nicht nur in der verbesserten Effizienz und Qualität der Ergebnisse, sondern böten auch wesentliche Erleichterungen im Arbeitsalltag der Normungsexperten. Die SCM böte somit nicht nur zahlreiche Vorteile für unsere Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, sondern eröffne auch individuelle Chancen und Möglichkeiten für jeden Einzelnen. Es läge an uns allen, diese Gelegenheiten zu nutzen und gemeinsam die Zukunft der Normung zu gestalten.

Präsentation und Funktionen der Standardization Community Map

Johannes Stein, Senior Principal Expert, und AES-Community-Manager Marcus Krause präsentierten in einem Dialog Aufbau und Struktur der neuen Plattform vor. In einer Live-Demonstration zeigten sie die Funktionen und Möglichkeiten der Plattform. Sie navigierten durch die Themenschwerpunkte, die Struktur der Topics sowie die Vernetzung mit Meinungs- und Wissensbeiträgen. Sie erläuterten die Vorteile einer Registrierung für die SCM, um beispielsweise Beiträge (Topics) zu kommentieren oder Zugang zum Collaboration-Bereich zu bekommen. Dort könnten Expert*innen dann auch gemeinsam an Topics arbeiten, sich in Fachgruppen organisieren und über aktuelle Entwicklungen informieren. Insgesamt solle die SCM die Zusammenarbeit fördern, Zeit sparen, Aktualität gewährleisten und die Digitalisierung in der Normungsarbeit vorantreiben.

Impulsvortrag: Potenzial disponible Lasten für die Frequenzregelung

Gunnar Kaestle von der TU Clausthal betonte das große Potenzial, disponible Lasten wie Elektroautos, Wärmepumpen oder Kühlschränke für die Frequenzregelung im Stromnetz zu nutzen. Durch die automatische und autonome Erhöhung oder Reduktion der Last in den angeschlossenen Geräten und Anlagen in Abhängigkeit von der Netzfrequenz könnten sie einen Beitrag zur Stabilisierung leisten. Neben der Frequenz als globalem Signal könnte auch die lokale Spannung genutzt werden, um Erzeugungsspitzen abzufedern, beispielsweise durch Erhöhung des Verbrauchs von Wärmepumpen oder Elektroautos bei hoher PV-Einspeisung. Die technische Machbarkeit sei gegeben, wie die Technische-Spezifikation IEC 6289889-3-3 zeige.

Die größte Herausforderung sah Kaestle in geeigneten Geschäftsmodellen und regulatorischen Rahmenbedingungen, um die Potenziale zu heben. Die Vergütung für die Bereitstellung von Flexibilität müsse attraktiv sein, dürfe aber auch nicht zu hohe Transaktionskosten verursachen. Hier sieht er Normung als Möglichkeit, die Kosten zu senken. Einen vertiefenden Beitrag dazu finden Sie in der SCM.

Impulsvortrag: Netzdienliches Überschussladen von E-Autos

Alexander Kupfer von Audi und Chairman des IEC System Committee „Sustainable Electrified Transportation (SET)“ stellte das Konzept des „Überschussladens“ vor. Ziel sei es, bis 2030 Elektroautos in Deutschland zu 90 Prozent dann zu laden, wenn ein Überschuss an erneuerbarer Energie im Netz vorhanden ist. Überschussenergie sei die Energie, die Erneuerbare zusätzlich zum Bedarf liefern könnten. Diese direkt zu nutzen, sei effizienter als Zwischenspeicherung oder Abregelung. Simulationen zeigen, dass 2030 genügend Überschüsse vorhanden sein werden, um 90 Prozent des Ladestroms in Deutschland zu decken. Ausnahmen seien beispielsweise Dunkelflauten oder Schnellladen. Durch den Erneuerbaren-Anteil von über 60 Prozent werde sich die Menge an Überschüssen rasant erhöhen. Sie fallen vor allem im Sommer an Wochenenden zwischen 10 und 16 Uhr sowie im Winter nachts zwischen 0 und 5 Uhr an.

Um das Ziel zu erreichen, will Kupfer mit der Community Use Cases identifizieren, Stakeholder und Herausforderungen analysieren sowie Umsetzungsempfehlungen erarbeiten. Er sieht die Aufgabe als systemische Herausforderung, die nur sektorenübergreifend gelöst werden kann. Die Ergebnisse sollen in die Normung und an Wirtschaft und Politik gespiegelt werden.

Herausforderungen und Bewertung des SCM-Ansatzes

Nach den Vorträgen führte Johannes Stein mehrere Umfragen durch, um ein Meinungs- und Stimmungsbild bei den Teilnehmenden einzuholen. Gefragt nach den größten Herausforderungen bei der Realisierung einer AES wurden unter anderem genannt die Komplexität der Kopplung verschiedener Sektoren und Systeme, die Notwendigkeit einer einheitlichen Kommunikation und eines Datenaustauschs zwischen Verbrauchern und Erzeugern sowie die Frage der Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz des rein elektrischen Ansatzes.

Der SCM-Ansatz selbst wurde mit einer durchschnittlichen Bewertung von 4,4 auf einer Skala von 1 bis 5 sehr positiv beurteilt. Besonders hervorgehoben wurden die Möglichkeiten zur Kollaboration, zum schnellen Dialog und Austausch sowie zur gezielten Gruppenbildung.

Themenvorschläge und Bewertung des Online-Formats

In einer zweiten Umfrage sammelte Johannes Stein Themenvorschläge für zukünftige Workshops. Die Teilnehmenden nannten unter anderem Energieflexibilität und digitale Transformation, Gleichstrom- und Sektorenkopplung, Speicherung im Haushalt und Energiemanagement sowie Elektromobilität und Ladeinfrastruktur. Sieben Teilnehmende erklärten sich bereit, selbst Themen vorzubereiten und zu präsentieren.

Das Online-Format des Workshops wurde mit einer durchschnittlichen Bewertung von 4,4 auf einer Skala von 1 bis 5 ebenfalls sehr positiv aufgenommen. Gelobt wurden die fachliche Darstellung, der umfassende Überblick und die praktischen Einblicke. Als Verbesserungsvorschläge wurden eine kürzere Dauer von 60-90 Minuten und mehr Raum für Diskussionen genannt.

Ausblick und nächste Schritte

Die Ergebnisse des Kick-off-Workshops böten aus Sicht von Johannes Stein eine hervorragende Basis für die weitere Entwicklung der SCM AES.

Die nächsten Online-Workshops sind bereits für den 6. und 20. Juni 2024 geplant und würden sich mit den Themen Flexibilitäten und Datenaustausch in der Sektorenkopplung befassen. Zudem ist für den 2. Juli 2024 ein Side Event zum Thema Gleichstrom im Rahmen des DKE Innovation Campus 2024 vorgesehen. Nach der Sommerpause sollten ab Mitte September bis Ende 2024 weitere regelmäßige Termine stattfinden, für die noch Themenvorschläge gesammelt würden.

Mit dem erfolgreichen Kick-off im Rücken und dem großen Engagement der Teilnehmer stünde einer produktiven Zusammenarbeit in der SCM AES nichts mehr im Wege, resümierte Johannes Stein um 18.20 Uhr und beendete den Workshop mit einem Dank an die Referenten und Teilnehmenden.

SCM All Electric Society

Bleiben Sie mit uns am Ball. Registrieren Sie sich, kommentieren Sie die Topics. Und arbeiten Sie mit in den Gruppen im Bereich Collaboration.

Beitrag teilen

Beitragsbild: putilov_denis / stock.adobe.com

Wir helfen Ihnen gerne weiter

Johannes Stein

Johannes Stein

DKE Experte All Electric Society

E-Mail: dke-community@vde.com

Marcus Krause

Marcus Krause

DKE Community Manager

E-Mail: dke-community@vde.com

[polylang lang="en"]15 persons applauded[/polylang][polylang lang="de"]15 Personen haben Beifall gegeben[/polylang]

[polylang lang="en"]applaud[/polylang][polylang lang="de"]Applaudieren[/polylang]

Schreiben Sie einen Kommentar