Photovoltaik-Anlagen gewinnen stetig an Bedeutung und deren effiziente Einrichtung wird weiter vorangetrieben. Wie lassen sich besonders Aufwand und Fehleranfälligkeit bei der Installation reduzieren? Mit dieser Fragestellung haben wir uns zuletzt ausgiebig beschäftigt.
Bei diesem Beitrag wurden bereits die konkreten Herausforderungen beschrieben, sowie Lösungsvorschläge und erste Handlungsempfehlungen erarbeitet. Sollten Sie hierzu weitere Anregungen haben, freuen wir uns über einen gemeinsamen Austausch und laden Sie dazu herzlich ein! Ihre Erfahrungen und Beiträge entscheiden darüber, wie die Anforderungen an die Normung aussehen und welche weiteren Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet werden.
COLLABORATION
Herausfordung:
Wie können Fehleranfälligkeiten bei der Einrichtung von PV-Anlagen reduziert werden?
Mit der All Electric Society ist die Erwartung an eine CO2-freie Energieversorgung verbunden. Gerade an den Ausbau der Photovoltaik, insbesondere auch der kleineren bis mittleren Dachanlagen, werden große Hoffnung geknüpft. Auch die zu erwartende, weitere Elektrifizierung erhöht die Anzahl an genehmigungs- und anmeldepflichtigen Anlagen mit größerer Leistung wie Wärmepumpen oder Wallboxen deutlich. Die Prozesse sind derzeit aufgrund der vielen involvierten unterschiedlichen Rollen und der wiederholten manuellen Dateneingaben aufwändig und fehleranfällig. Die gewünschte Skalierung wird durch aufwändige Prozesse gehemmt, die die Verfügbarkeit von nicht ausreichend vorhandener Fachkräften zusätzlich bindet und potenzielle Anlagenbetreiber – gerade aus der Bevölkerung – eher abschrecken. Der Erfolg der Balkonkraftwerke zeigt, dass eine Vereinfachung unglaubliche Skalierungseffekte freisetzen kann.
Bevor eine PV-Anlage Strom liefern kann, sind viele Einzelschritte von vielen Akteuren notwendig:
- Ein PV-Anlagenbetreiber gibt den Startschuss und sucht sich in der Regel einen PV-Anlagenplaner. Mit ihm zusammen werden die Eckpunkte, wie z. B. beabsichtigte Leistung und die dafür benötigten Komponenten abgestimmt.
- Auf dieser Basis entsteht auf der einen Seite ein Angebot für den Betreiber und auch eine Grobplanung, die beim Netzbetreiber einzureichen ist.
- Die Netzverträglichkeitsprüfung erfolgt bei diesem und führt in der Regel zu einer Genehmigung.
- Auf dieser Basis kann dann die Detailplanung durchgeführt werden, auf dessen Grundlage die PV-Anlage installiert und in Betrieb genommen wird.
- Dies ist dem Netzbetreiber wieder anzuzeigen. Erst dann kann der reguläre Betrieb aufgenommen werden.
- Außerdem ist die PV-Anlage im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur anzumelden.
Bei allen Prozessschritten werden Daten von den zu verbauenden Komponenten benötigt, neue Daten eingegeben, in verschiedenen Zusammenstellungen zwischen den Beteiligten versendet und an verschiedenen Stellen gespeichert. Stand heute sind das i. d. R. Dateien (z. B. pdf), die in Emails versendet werden. Daten müssen des Öfteren neu in unterschiedlichen Formularen und/oder Portalen eingegeben werden. Der manuelle Aufwand auch für das reine Handling der Daten ist noch entsprechend groß und fehleranfällig. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bezeichnungen der Informationen und auch manchmal die Bedeutungen variieren und nicht so einfach einander zugeordnet werden können.
Dieser Aufwand kann durch digitale Prozessunterstützung wesentlich reduziert werden.
Lösungsvorschlag:
Der Digitale Produktpass (DPP) als standardisierte Basis
Basierend auf den Visionen von „Industrie 4.0“ und „Digitaler Zwilling“ wurde das Konzept der Verwaltungsschale (VWS, engl. Asset Administration Shell AAS) entwickelt und standardisiert. Das Konzept soll den unternehmensübergreifenden Datenaustausch in unterschiedlichen Wertschöpfungsnetzwerken vereinfachen.
Die VWS ist auch Grundlage eines Lösungsansatzes, um den politisch geforderten Digitalen Produktpass (DPP) zu realisieren (als DPP4.0 bezeichnet). Mit einem Showcase wurde die Herangehensweise in den vergangenen Jahren durch ein praktisches Beispiel demonstriert. Der DPP wird seitens der Politik gefordert, um insbesondere die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) zu unterstützen. Wichtige Informationen für Re-Use oder Recycling sollen über den gesamten Lebenszyklus des Produktes zur Verfügung stehen. Projekte und auch Normungsgremien arbeiten aktuell bereits an der Umsetzung und Realisierung des DPP (s.u.).
Das hier vorgestellte Konzept geht nun davon aus, dass der DPP4.0 eingeführt ist und alle Komponenten seitens der Hersteller mit dem DPP4.0 ausgestattet werden. Damit könnten alle für den Anmeldeprozess notwendigen und harmonisierten Daten im DPP eingetragen werden. Mit dem Konzept der VWS können dann verschiedene DPP’s der Teilkomponenten automatisiert zu einem DPP einer Anlage zusammengefügt werden (z. B. PV-Module, Wechselrichter etc. zu einer PV-Anlage). Dieser PV-Anlagen-DPP könnte dann für die verschiedenen Anmeldungen und Genehmigungen genutzt werden und dort ebenfalls automatisiert eingelesen und bearbeitet werden. Besonders interessant wird das Konzept dadurch, dass die Daten des DPP4.0 zwar dezentral gespeichert, aber zentral verwaltet werden. Verschiedene beteiligte Rollen können also auf die stets aktuelle Version der Verwaltungsschale zugreifen und gemäß ihrer Berechtigung auch ändern. Somit werden die Informationen nur an einer Stelle gespeichert, aber an verschiedenen Stellen genutzt (Single Source of Truth).
Zur Demonstration wird die Vorgehensweise, die in einem Pilotprojekt von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg am Lehrstuhl für Integrierte Automation prototypisch in einem Proof of Concept umgesetzt wurde, im Folgenden am Beispiel einer PV-Anlage beschrieben. Das Konzept kann jedoch auch auf vergleichbare Anwendungen (Wallbox, Wärmepumpen etc.) übertragen und auf weitere Anwendungsfälle im gesamten Lebenszyklus erweitert werden. Fokus der Beschreibung ist daher auch weniger die detaillierte Beschreibung der Anmeldung einer PV-Anlage, als vielmehr das Aufzeigen der konzeptionellen Möglichkeiten von DPP4.0 und Anmeldungsprozesse unter Beteiligungen vieler unterschiedlicher Rollen.
Der Gesamtprozess einer PV-Anlagenanmeldung kann in folgende drei Phasen aufgeteilt werden:
- die Planungsphase, in der die Rahmenbedingungen wie der Ort, die Leistung und die zu verbauenden Komponenten festgelegt werden
- die Anmeldung, in der die Installation, Inbetriebnahme und die gesamten Anmeldeprozesse ablaufen
- der operative Betrieb
- Recycling/ End-of-life (hier noch nicht betrachtet)
Das Konzept für die Phase 1 sieht zunächst vor, dass die zu verbauenden Komponenten einen DPP besitzen, in dem die gesamten Informationen der Komponente wie z. B. die Typenschildinformationen, die technischen Daten, die erforderlichen Zertifikate und andere Dokumentationen verfügbar sind. Sie repräsentieren den Digitaler Zwilling der jeweiligen Komponente und können deshalb maschinell ausgelesen werden. Sie sind deshalb auch mittels noch zu implementierender Importfunktion in die Planungswerkzeuge integrierbar. Das Ergebnis der Planung sowie der DPP’s der Komponenten ist ein DPP der gesamten PV-Anlage und damit sein Digitaler Zwilling, in dem alle benötigten Daten der PV-Anlage, aber auch der darin verbauten Komponenten enthalten sind. Voraussetzung ist, dass die Standardisierung der Daten der DPP’s erfolgt, so wie es schon bei den Batterien begonnen wurde.
In der Phase 2 steht der DPP und dessen Umsetzung als Digitaler Zwilling im Mittelpunkt. Hier sind alle, die PV-Anlagen betreffend, relevanten Daten in dem PV-Anlagen-DPP enthalten, der in einem Proof of Concept (PoC) mittels Verwaltungsschale softwaretechnisch umgesetzt wurde.
Zunächst besitzt dieser PV-Anlagen-DPP ein User Interfaces (UI) für den Betreiber und den Installateur. Der Betreiber hat die administrativen und örtlichen Daten wie z. B. Namen des Betreibers, Adresse, Flurstück, etc. einzugeben.
Sind diese Daten zu den bereits enthaltenden technischen Daten der PV-Anlage vollständig, geht eine Nachricht an den Netzbetreiber zur Netzverträglichkeitsprüfung. Da die Daten in einem standardisierten Format vorliegen, können diese beim Netzbetreiber maschinell aus der Nachricht in eine entsprechende Datenbank oder andere dem Kunden zugeordneten Speicher semantisch eindeutig abgelegt werden. Die Prüfung kann ohne zusätzliches Zusammensuchen der erforderlichen Daten erfolgen. Die zusätzlichen Daten, wie z. B. PV-Anlagennummern, werden zusammengestellt und können direkt an den PV-Anlagen DPP, d. h. an seinen digitalen Zwilling gesendet werden. Dieser hat also in konsistenter Weise auch diese Daten über einen einzigen Zugang verfügbar. Wenn die PV-Anlage installiert und in Betrieb genommen ist, kann der Installateur wieder über ein UI seine Daten (z. B. Datum, Firma, die installiert hat, spezifische Konfigurationsdaten, etc.) im PV-Anlagen DPP eintragen. Daraufhin können dann die jeweils erforderlichen Daten in standardisierter Weise an das Marktstammdatenregister und den Netzbetreiber gesendet werden.
Ausblick
Die Phase 3 kann verschiedene Use Cases beinhalten. Allen gemein ist es, dass authentifizierte und autorisierte Partner/Parteien (unter Einhaltung der State-of-the-Art Security Policies/IT-Sicherheits- und Datenschutztechnologien und -prozessen) auf den PV-Anlage DPP und deren digitalen Zwilling zugreifen. Dieser kann auch Daten direkt aus den Komponenten, wie z. B. den Wechselrichter bereitstellen. Sicherlich sollten alle externen Zugriffe registriert werden, damit eine lückenlose Dokumentation der Interaktionen vorhanden ist.
Das mittels PoC bereits evaluierte Vorgehen zeigt, wie durch Komponenten und Anlagen DPP‘s und deren Umsetzung in einem Digitalen Zwilling ein lückenloser Fluss der Informationen zwischen den Partner erfolgen kann. Mehrmaliges Editieren gleicher Daten, uneindeutige Interpretation von Komponenten- und Anlagenparametern, inkonsistente Datenhaltung bei unterschiedlichen Akteuren und Probleme durch Nicht-Einhaltung der vorgeschriebenen Prozesse/Workflows können vermieden werden. Voraussetzung ist eine Standardisierung der DPPs sowie der Interaktionsmechanismen, wie z. B. durch die Verwaltungsschale als Technologie der Digitalen Zwillinge sowie die Anwendung und Nutzung der DPP’s durch die verschiedenen beteiligten Stakeholder.
Normungsaspekte
- Joint Technical Committee 24 Digital Product Passport
NA 043-02-06 GA DIN/DKE Gemeinschaftsgremium Digitaler Produktpass - AAS/VWS
- IEC CDD, ECLASS
- DPP4.0
Handlungsempfehlung und Normungsbedarfe: Standardisierung von Komponenten und Bereitstellung von Digitalen Zwillingen mit ihren Schnittstellen
Sollte das beschriebene Konzept überzeugen, wäre es erforderlich, die Daten der Komponenten für den DPP zu standardisieren. Für Batterien (Stichwort Batteriepass) ist dies bereits auf den Weg gebracht. Solarmodule, Wallbox, Wechselrichter und weitere Komponenten müssten folgen. Für einen maschinellen Datenaustausch sind die Digitalen Zwillinge mit ihren Schnittstellen erforderlich. Mit der Verwaltungsschale, die sich bereits in der IEC-Normung (IEC 63278 series) befindet, und in Verbindung mit aktuellen Datenraum-Initiativen /-Konzepten sind bereits sehr gute technologische Lösungen verfügbar und einsetzbar.
Ergänzend ist dann eine Integration der Daten in der IEC CDD oder ECLASS vorzunehmen, damit die Semantik der definierten Daten für den DPP für alle an zentraler Stelle referenzierbar hinterlegt ist.
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Alle Grafiken von Prof. Christian Diedrich
Beitragsbild: PixelboxStockFootage / stock.adobe.com
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Johannes Stein
DKE Experte All Electric Society
E-Mail: dke-community@vde.com
Marcus Krause
DKE Community Manager
E-Mail: dke-community@vde.com
2 Antworten
Das ist eine gute Idee. Jedoch ist auf der Komponetenseite der DPP nur wenig verbreitet, bzw hat den Focus auf NAchhaltigkeitsthemen wie Carbon-Footprint. Hier ist mehr zu tun
Vielen Dank für den Kommentar, das führt uns in die richtige Richtung.