Wie lassen sich Batteriespeicher künftig netzdienlich einsetzen?

Fünf Experten äußern sich zu den Themen Netzdienlichkeit, technische Machbarkeit, notwendige Normänderungen und die Rolle standardisierter Schnittstellen im Hinblick auf den Einsatz von Batteriespeichern im Energienetz.

Sie diskutieren die Vorteile und Herausforderungen der Nutzung von Batteriespeichern zur Stabilisierung und Flexibilisierung des Energiesystems, die technischen und wirtschaftlichen Hürden sowie die Bedeutung von Normen und Standards für eine erfolgreiche Implementierung.

Ein Beitrag von Alexander Kupfer (Audi AG), Urban Windelen (BVES), Thomas Timke (Solarwatt), Phillip Miersch (VDE FNN) und Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm (Hochschule Bremen)

1. Netzdienlichkeit von Batterien

DKE: Sind Sie für oder gegen die Integration von Batteriespeichern im stationären Einsatz (PV-Strompufferspeicher) und E-Fahrzeugen (V2G) in das Stromnetz, damit sie die Stabilität und Flexibilität des Energiesystems unterstützen? Begründen Sie bitte Ihre Position.

Alexander Kupfer:

„Ich bin für die Integration von Batteriespeichern im stationären Einsatz und von Elektrofahrzeugen in das Stromnetz, um die Stabilität und Flexibilität des Energiesystems zu unterstützen.

Die erste Priorität bei E-Autos sollte das Überschussladen haben, also das Laden der Elektrofahrzeuge in Zeiten hoher erneuerbarer Energieerzeugung. Darüber hinaus sollte die Möglichkeit bestehen, die Ladeleistung an Wallboxen und Ladestation zu steuern, um die Netzkapazität möglichst umfassend auszunutzen in den Zeiten hoher Energieerzeugung. Hier sollte Deutschland als Industrienation vorangehen. Wenn wir das Laden so kontrollieren könnten, wäre das der Hauptnutzen für die Batterien in den Elektrofahrzeugen im Hinblick auf ein Erneuerbares Energiesystem. Anders ist das bei stationären Batteriespeichern; diese können parallel zur Zwischenspeicherung leicht netzdienliche Aufgaben übernehmen.

Autobatterien könnten in zweiter Priorität auch netzdienlich via Vehicle-to-grid (V2G) eingesetzt werden. Dazu müssen die Voraussetzungen technisch vorhanden und wirtschaftlich umsetzbar sein. Sie stellen perspektivisch eine enorme Speicherkapazität dar, die für die Zwischenspeicherung Erneuerbarer Energien als auch für Netzdienstleistungen wie Regelleistung genutzt werden könnten, wenn die Fahrzeuge nicht genutzt werden.Für eine Rückspeisung aus den Fahrzeugen ins Netz muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmen. Es fehlen die Geschäftsmodelle und die gesetzlichen Vorgaben. Wie beim KAT (Abgaskatalysator) könnte ich mir vorstellen, dass mit einem Gesetz für alle E-Fahrzeuge künftig auch V2G-Fähigkeit vorgeschrieben wird. Durch die entstehende Massenfertigung können die Einzelkosten pro Fahrzeug und Ladepunkt stark reduziert werden, so dass gesamtvolkswirtschaftlich gesehen ein positives Kosten Nutzenverhältnis entsteht. Die Integration sollte daher vorangetrieben werden, wobei das Überschussladen bei E-Fahrzeugen in nächster Zeit klar Priorität haben muss.“

Urban Windelen:

„Stationäre Speicher ja, Vehicle-to-Grid (V2G) sehe ich momentan noch wenig praktikabel.

Batteriespeicher und andere Stromspeichertechnologien sind ein ideales Werkzeug für nahezu alle Systemdienstleistungen und sehr flexibel einsetzbar. Aus einem Speichersystem kann dem Stromnetz gleichzeitig etwa Kapazität, Regelenergie, Blindleistung und Momentanreserve in Sekundenbruchteilen exakt nach Bedarf zur Verfügung gestellt werden. Damit tragen Speicher entscheidend zur notwendigen Flexibilität des Netzes bei. Ein Batteriespeicher, der marktlich gefahren wird, arbeitet dabei letztlich immer netzdienlich. Denn er speichert stets ein, wenn der Strompreis niedrig ist, also viel Strom im Netz ist. Und er speist aus, wenn der Preis hoch ist, also zu wenig Strom im Netz ist. Damit trägt er automatisch zur Netzstabilität bei.

Der Einsatz von Batterien in E-Fahrzeugen für Systemdienstleistungen ist technisch mittlerweile möglich, doch sehen wir eine Menge von Hürden in der Praxis. Bereits der reine Aspekt der Wirtschaftlichkeit von V2G ist herausfordernd. Bei einer Batterie mit vielleicht 70 Kilowattstunden (kWh) würde der Autoeigner vielleicht maximal 30 kWh zur Verfügung stellen, um noch genügend Reserve in seiner Traktionsbatterie zu haben. Diese 30 kWh haben dann einen Wert von etwa sechs bis vielleicht zwölf Euro. Das möchte ich als Autoeigner natürlich erstattet haben und dann noch einen Bonus oben drauf. Zudem muss am Ladepunkt und im Auto die notwendige Zähl-, Mess- und Abrechnungstechnik installiert sein, was zu weiteren Kosten führt. Das ist dann schon komplex und eventuell zu teuer für den gelieferten Nutzen. Größere Speichersysteme, direkt an der Wind- oder Solaranlage oder an den Umspannwerken und Trafos, sind dann vielleicht praktikabler und mit garantierter Leistung verfügbar.

Es ist letztlich zu vergleichen, was cleverer ist, eine fünf Megawatt-Batterie neben jedem Umspannwerk oder die Infrastruktur für Millionen von E-Autos, die heute hier und morgen da angeschlossen werden müssen und auch in den Urlaub fahren und im Stau stehen, wenn die Flexibilität gerade gebraucht wird. Es wird sicherlich interessante Modelle rund um V2G entstehen und angeboten werden. Und die Entwicklung ist noch lange nicht ausgemacht. Auch aus den wirtschaftlichen sowie vielen rechtlichen Hürden bei V2G, sehen wir jedoch momentan V2H, also das E-Auto als zusätzlicher Speicher hinter dem Zähler für das Gebäude, im Wochenendhaus, fürs E-Bike bei einer Tour als praktikabler an.“

Thomas Timke

„Ich bin grundsätzlich für die Integration von Batteriespeichern sowohl im stationären Einsatz als auch in Elektrofahrzeugen (V2G), um die Stabilität und Flexibilität des Energiesystems zu unterstützen.

Wichtig ist vor allem, das E-Autos mit Überproduktion geladen werden, beispielsweise nachts durch Windkraft. Ich nenne das das gemanagte Laden, für das Preisimpulse notwendig und Smart Meter Gateways geeignet sind. Dies ermöglicht eine bessere Integration erneuerbarer Energien ins Netz und hilft, die Netzstabilität zu erhalten.

Für das Einspeisen ins Netz ist es außerdem sinnvoll, E-Fahrzeuge in einem Pool zusammenzufassen, ähnlich wie bei virtuellen Kraftwerken aus PV-Anlagen. Dafür ist eine gewisse Überdimensionierung notwendig, damit das Pooling sicherstellt, dass bei Abruf der Energie diese auch geliefert werden kann. Denn der Netzbetreiber kann nicht jedes einzelne Fahrzeug separat behandeln, da es auch nicht immer angeschlossen ist.

Speziell in Deutschland kommt eine weitere Herausforderung hinzu: die unterschiedlichen Vergütungsmodelle für eingespeiste Energie, deren Höhe von ihrer Quelle abhängig ist. Das führt zu einem Bedarf an zusätzlichen Energiezählern und komplizierten Abrechnungsvorgängen. Besser wäre eine einheitliche Vergütung. Dies würde nicht nur Kosten sparen, sondern auch das Energienetz effizienter stabilisieren.“

Phillip Miersch:

„Speicher sind ein wichtiger Baustein der Energiewende. Sie bieten die Möglichkeit, mehr Flexibilität in das Energiesystem zu bringen. Insbesondere in Kombination mit erneuerbaren Energien bieten sie Möglichkeiten, auch dann Strom aus nachhaltigen Quellen zu liefern, wenn diese gerade keinen Strom erzeugen.

Wichtig ist, dass der Anschluss und Betrieb von Speichern netzverträglich und netzdienlich erfolgt. Sie können wesentlich dazu beitragen, einen Netzausbaubedarf zu verringern. Denn sie bieten Potenzial für eine flexible Stromversorgung, die für ein stabiles Netz wichtig ist.“

Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm:

„Die Netzintegration von Stromspeichern ist ein entscheidender Punkt bei der Umsetzung der Energiewende. Sie bieten die Möglichkeit, mehr Flexibilität in das Energiesystem zu bringen. Insbesondere in Kombination mit erneuerbaren Energien bieten sie Möglichkeiten, auch dann Strom aus nachhaltigen Quellen zu liefern, wenn diese gerade keinen Strom erzeugen.

Wichtig ist, dass der Anschluss und Betrieb von Speichern netzverträglich und netzdienlich erfolgt. Sie können wesentlich dazu beitragen, einen Netzausbaubedarf zu verringern. Denn sie bieten Potenzial für eine flexible Stromversorgung, die für ein stabiles Netz wichtig ist.

Vehicle-2-Grid, also der bidirektionale Leistungsaustausch mit dem Netz, wird künftig ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Auch hierfür gilt, dass netzdienliche und netzverträgliche Anforderungen seitens der Ladestationen eingehalten werden.“

E-Fahrzeugbatterien stellen perspektivisch eine enorme Speicherkapazität dar, die unter anderem für Netzdienstleistungen genutzt werden könnten.

2. Technische Machbarkeit

DKE: Wie bewerten Sie die technischen Herausforderungen und Möglichkeiten, solche Batterien netzdienlich zu nutzen, ohne die Hauptfunktion des Speichers zu beeinträchtigen? Welche Bedenken sehen Sie hinsichtlich der Produktsicherheit und Garantiebedingungen? Könnte man diesen Bedenken durch technologische Entwicklungen oder Normung begegnen?

Alexander Kupfer:

„Die größte Herausforderung liegt darin, die Ladevorgänge möglichst bald intelligent zu steuern und zeitlich zu verschieben je nach Stromangebot. Dafür braucht es Algorithmen, die den Ladezustand, die aktuelle und prognostizierte Netzauslastung sowie den geplanten Einsatz des Fahrzeugs berücksichtigen.

Für eine V2G-Funktion ist die Herausforderung die Umwandlung in Wechselstrom. Dafür müssen die Umrichter in den Fahrzeugen für das netzkonforme Rückspeisen erst noch befähigt werden. Das sind Kosten, die sich auch rechnen müssen. Wenn beispielsweise in Zukunft eine Million E-Autos an einem Tag 30 Kilowattstunden dem Energienetz als Zwischenspeicher bereitstellen, sind das 30 Millionen kWh beziehungsweise 30 Gigawattstunden. Dafür müssten keine stationären Speicher gebaut werden, die eventuell nur wenige Tage im Jahr genutzt werden würden. Bei diesem Potenzial könnten, wenn der Gesetzgeber das vorgibt, neue Geschäftsmodelle entstehen. Untersuchungen zeigen zudem, dass moderne Lithium-Ionen-Batterien sehr robust und für eine lange Lebensdauer ausgelegt sind. Die Beanspruchung durch netzdienliches Laden dürfte kaum einen Unterschied machen, zumal die Lade- und Entladeleistung dabei geringer ist als beim Fahren. Voraussetzung ist, dass die Ladevorgänge durch ein Batteriemanagementsystem überwacht und gesteuert werden. Dieses muss sicherstellen, dass die vom Hersteller vorgegebenen Grenzwerte für Spannung, Strom und Temperatur eingehalten werden. Zudem müssen die Ladegeräte und Kommunikationsschnittstellen hohe Sicherheitsstandards erfüllen.

Für stationäre Speicher wäre netzdienliches Verhalten technisch kein Problem, da sie eh in beide Richtungen Energie verschieben können.“

Urban Windelen:

„Die technischen Möglichkeiten sind grundsätzlich alle gegeben. Es gibt jedoch noch einige Herausforderungen, insbesondere beim Zählen und Messen sowie der ordnungsgemäßen Zuordnung dessen, was dort wo gezählt und gemessen wurde, wann und wie der Speicher geladen wurde. Bedenken sollte man auch die Themen Produktsicherheit und Garantiebedingungen, wenn zusätzlich auf die Fahrzeugbatterie von außen zugegriffen wird. Hier braucht es noch eine relativ breite Anpassung der Standards und Normen. Es ist auch noch offen, ob alles an notwendiger Technik im Fahrzeug sein muss oder ein Teil in der Ladestation sein könnte. Letzteres würde dann allerdings bedingen, dass auch dort die Kommunikation standardisiert wird, damit verschiedene Fahrzeuge die gleiche Ladestation benutzen können und die Kombination sich entsprechend netzkonform verhält.

Eine wichtige Rolle spielt zudem die in der Umsetzung befindliche EU-Batterieverordnung. Die aktuell geltenden Normen und Standards müssen um neue Anforderungen aus der BattVO wie zur Sicherheit, Recycling, Reparaturfähigkeit und Umweltschutz ergänzt werden. Nahezu die gesamte Batterie-Regulatorik muss gerade überarbeitet werden. Auch an neuen Testverfahren und Zertifizierungsmethoden für Batterien wird gearbeitet sowie an standardisierten Schnittstellen und Kommunikationsprotokollen, um einen sicheren und herstellerübergreifenden Datenaustausch zu ermöglichen.“

Thomas Timke

„Aus meiner Sicht sind die technischen Herausforderungen, Batterien netzdienlich zu nutzen, gegeben.

Eine Fahrzeugbatterie, die Regelenergie bereitstellen soll, muss dabei innerhalb ihrer Spezifikationen betrieben werden. Die Lebensdauer von Batterien hat sich durch die Weiterentwicklung von Zellen und verbesserte Fertigungsverfahren erhöht. Früher wurden Zellen gezielt auf Lebensdauer optimiert, aber mittlerweile ist auch die Zyklenfestigkeit so weit gestiegen, dass die Fahrzeuge die theoretisch möglichen Kilometer gar nicht erreichen können. Heute sehen wir bei Tests, dass es eine ungenutzte Zyklenfestigkeit gibt, die für zusätzliche und/oder Second-Life-Anwendungen verwendet werden könnte. Aber es ist noch unklar, ob Batterien tatsächlich ausgetauscht werden, wenn sie nicht mehr die ursprüngliche Reichweite bieten.

Hinsichtlich der Produktsicherheit sehe ich keine grundsätzlichen Bedenken, da moderne Batteriemanagementsysteme in der Lage sind, die Batterien innerhalb ihrer Spezifikationen zu betreiben und so eine Überlastung oder Tiefentladung zu verhindern. Was die Garantiebedingungen angeht, sollten die Hersteller in den Garantiebedingungen klar definieren, welche Nutzungsprofile abgedeckt werden. Es ist sinnvoll, dass Hersteller spezielle Garantiebedingungen für netzdienlich genutzte Batterien anbieten, die beispielsweise eine höhere Zyklenzahl abdecken.

Technologische Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Batteriemanagementsysteme und der Zelltechnologie werden künftig dazu beitragen, die Lebensdauer, Mehrfachnutzung, Reparatur und Sicherheit von Batterien weiter zu erhöhen.“

Phillip Miersch:

„Die netzdienliche Einbindung wird heute schon erfolgreich umgesetzt. Sicher wird das aber in der Zukunft bspw. durch entsprechende dynamische Tarife und Digitalisierung in der Kommunikation noch effizienter und zielgerichteter gesteuert werden können. Bei dem Rest der Fragestellung handelt es sich um Fragestellungen zu Produkten, die aus Sicht der Stromnetze (VDE FNN) nicht bewertet werden können.“

Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm:

„Batteriespeicher oder Speicher im Allgemeinen werden ja per se durch einen netzdienlichen oder netzverträglichen Einsatz nicht in ihrer Funktionsweise beeinträchtigt. Lade- und Entladevorgänge sollten aber derart in Flexibilisierungs- und Automatisierungslösungen einbezogen werden, dass der Lebensdauerverbrauch möglichst optimiert wird, d.h. der Nutzer nach wie vor von einer üblichen Lebensdauer ausgehen kann. Normung kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, denn hier wirken die Expert*innen aller Fachkreise zusammen.“

Wird von außen auf die Fahrzeugbatterie zugegriffen, braucht es u.a. mit Blick auf die Produktsicherheit eine breite Anpassung von Normen und Standards.

3. Integration in bestehende Normen

DKE: Welche konkreten Änderungen oder Ergänzungen in den aktuellen Normen wie beispielsweise DIN EN IEC 62933 halten Sie für notwendig, um Batteriespeicher effektiver für netzdienliche Maßnahmen nutzen zu können?

Urban Windelen:

„Es gibt aktuell insgesamt 35 Standardization Requests aus der Batterieverordnung, die in den Normungsgremien zurzeit bearbeitet werden. Uns als Verband ist hier gerade die Sicherheit wichtig. Wenn wir die Märkte öffnen für neue Produkte, müssen es sichere Produkte sein und unseren Qualitäts- und Sicherheitsleitfäden entsprechen. Zu unterscheiden sind dabei Sicherheitsaspekte etwa bei Batterien auf Zell-, Rack- und Systemebene sowie etwa auch der Schutz vor äußeren Einflüssen wie physische Gewalt und Wettereinflüsse sowie Cyber-Security.

Viele dieser Vorgaben haben wir als Verband bereits vor Jahren gemeinsam mit der Branche und zusammen mit Feuerwehren, Versicherern und Berufsgenossenschaften entwickelt. Unser Sicherheitsleitfaden bildete dann auch die Grundlagen für die VDE Anwendungsrichtline 2510-50, die aktuell überarbeitet wird. Schon bei der Erarbeitung der Batterieverordnung auf europäischer Ebene haben wir uns intensiv eingebracht und engagieren uns nun natürlich auch bei der Umsetzung in bestehende und neue Normen.“

Thomas Timke

„Eine wichtige Änderung wäre, dass Batteriespeicher künftig Informationen über ihren aktuellen Zustand, wie beispielsweise verfügbare Energie und Leistung, kommunizieren. Ein Problem ist die Konformität der Kombination aus Fahrzeugbatterie und Ladestation und/oder der Onboard-Leistungselektronik mit der VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 für die Einspeisung ins Netz. Die Anpassung oder ein neuer Standard ist zudem erforderlich, um Protokolle zwischen Fahrzeugen und Ladepunkten zu etablieren. Es ist jedoch offen, ob es durchsetzbar ist, dass Ladestationen die Anforderungen übernehmen in Kombinationen mit Fahrzeugen, die als solche nicht einzeln getestet wurden.

Es wird keine leichte Aufgabe sein, diese Details auszuarbeiten. Dies ist aber entscheidend für die netzdienliche Nutzung, da die Netzbetreiber nur so in Echtzeit die verfügbaren Ressourcen für die Netzstabilisierung einplanen können. Des Weiteren sollten die Normen so angepasst werden, dass sie die bidirektionale Kommunikation zwischen Fahrzeugbatterien und dem Netz unterstützen.“

Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm:

„Die Normenreihe IEC 62933 behandelt verschiedene Aspekte zu Speichern im elektrischen Energieversorgungssystem. Um die künftigen Belange noch besser abdecken zu können, sollte der systemische Gedanke – also das Denken und Handeln in einem ganzheitlichen elektrischen Energieversorgungssystem – vertieft werden. Die bspw. europäisch als EU-Verordnungen veröffentlichten Network Codes verdienen eine noch stärkere inhaltliche Beachtung. Weiterhin empfiehlt sich eine Nachjustierung mit Blick auf bestehende etablierte Batterieprodukt- und Sicherheitsnormen, d.h. die Normenreihe IEC 62933 sollte sich stärker fokussieren.“

Um künftige Belange besser abdecken zu können, müssen wir im Sinne eines elektrischen Energieversorgungssystems ganzheitlich denken und handeln.

4. Standardisierung von Schnittstellen

DKE: Welche Rolle spielen standardisierte Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle in der Weiterentwicklung von Normen, um die Integration von Batteriespeichern in das Energiemanagementsystem der Verteilnetzbetreiber zu erleichtern?

Alexander Kupfer:

„Wichtig ist, dass die Daten zuverlässig ankommen und über verschiedene Übertragungswege wie Satelliten, Glasfaser oder Mobilfunk geteilt werden können. Die Standardisierung sollte sich dabei auf einer höheren Ebene abspielen und sich auf die Daten selbst konzentrieren, einschließlich Verschlüsselung und Berechtigungen. Es muss sichergestellt sein, dass nur berechtigte Teilnehmer Daten abfragen und übermitteln können. So muss beispielsweise gewährleistet sein, dass eine Anfrage an ein Elektroauto, die Ladeleistung zu drosseln, tatsächlich vom Netzbetreiber kommt und nicht von einem Hacker, der eine große Zahl von Fahrzeugen manipulieren will.

Insgesamt plädiere ich für einen pragmatischen Ansatz, der sich zunächst auf die wichtigsten Anwendungsfälle konzentriert, wie beispielsweise das Überschussladen. Um diesen Kern herum kann dann das Modell schrittweise erweitert werden. Ziel sollte es sein, erst einmal die drängendsten Fragen zu lösen und dann nach und nach weitere Aspekte anzugehen.“

Urban Windelen:

„Standardisierte Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle spielen eine wichtige Rolle, um Batteriespeicher und gerade Fahrzeugspeicher effektiv und herstellerübergreifend in die Energiemanagementsysteme der Kunden und der Netzbetreiber zu integrieren. Es ist wichtig, in den Normen einheitliche technische Anforderungen, Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle zu definieren, um einen sicheren und einfachen Datenaustausch zu ermöglichen.

Die technischen Anschlussregelungen, wie VDE-AR-N 4105 für Niederspannung und VDE-AR-N 4110 für Mittelspannung, definieren bereits notwendige Informationen, die für den Anschluss von Speichern beziehungsweise Kundenanlagen mit verschiedenen Quellen geliefert werden müssen.

Doch Anschlussvorgaben, bei denen gegebenenfalls verschiedene Fahrzeuge mit verschiedenen Leistungsdaten hinreichend sicher über Schnittstellen kommunizieren, um die Vorgaben dieser Anwendungsregeln zu erfüllen, wäre eine zwingende Voraussetzung.”

Thomas Timke

„Standardisierte Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle spielen eine entscheidende Rolle in der Weiterentwicklung von Normen, um die Integration von Batteriespeichern in das Energiemanagementsystem der Verteilnetzbetreiber zu erleichtern.

Die Notwendigkeit der Standardisierung ergibt sich aus der Vielzahl von Geräten und Systemen, die miteinander kommunizieren müssen, um eine netzdienliche Nutzung von Batteriespeichern zu ermöglichen. Darüber hinaus müssen die Energiemanagementsysteme in den Haushalten der Nutzer in der Lage sein, mit den Batteriespeichern zu kommunizieren und Prioritäten zu setzen, beispielsweise für das Laden von Elektrofahrzeugen oder die Nutzung von Haushaltsgeräten. Dies erfordert eine enge Abstimmung und eine klare Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen, was nur durch standardisierte Schnittstellen und Protokolle gewährleistet werden kann.

Die Standardisierung ermöglicht es auch, dass unterschiedliche Hersteller ihre Produkte so entwickeln, dass sie miteinander kompatibel sind und gemeinsam für eine stabilere und effizientere Energieversorgung sorgen können. Dies ist besonders wichtig, da die Anzahl der Geräte und Systeme, die in das Energienetz integriert werden müssen, in der All Electric Society weiter zunehmen wird.”

Phillip Miersch:

„Die Integration u.a. von Speichern ist eine aktuelle Herausforderung für Netzbetreiber und Marktteilnehmer. In diesem Zusammenhang wird die Steuerung über intelligente Messsysteme ein wichtiger Baustein sein. Für einen funktionierenden Ende-zu-Ende-Prozess der Steuerung über intelligente Messsysteme ist dabei vor allem die Ausprägung einer interoperablen Schnittstelle zwischen Steuerungseinrichtung und Anlage des Betreibers von großer Bedeutung.“

Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm:

„Standardisierte Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle sind der Garant für eine Interoperabilität und Austauschbarkeit von Geräten und Informationen in jedweder Hinsicht. Die Vielzahl an Akteuren und Komponenten in einem modernen Elektrizitätsversorgungssystem verlangt ein enorm hohes Maß an Abgestimmtheit. Zudem dominieren zunehmend auch Anforderungen an die Datensicherheit, die Datenintegrität sowie den Datenschutz, so dass Kommunikationsstandards auch essenziell für damit verbundene Sicherheits- und Verfügbarkeitsaspekte sind.“

Wenn viele Geräte miteinander kommunizieren sollen, um Batterien netzdienlich zu integrieren, braucht es standardisierte Schnittstellen.

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Über die Interviewpartner:

Alexander Kupfer

Audi AG, Nachhaltigkeit, Recycling, CO2 Flotten-/Verdunstungsemissionen

Alexander Kupfer ist ein erfahrener Fachmann in der Automobilindustrie und arbeitet derzeit bei Audi. Mit einem starken Hintergrund in Ingenieurwesen und Management hat er bedeutende Beiträge zur Entwicklung innovativer Technologien und nachhaltiger Mobilitätslösungen geleistet. Seine Expertise umfasst Elektrofahrzeugarchitektur, Batterietechnologie und Ladeinfrastruktur. Als Thought Leader in der Branche wird Alexander Kupfer häufig zu Konferenzen eingeladen, um seine Einsichten zur Zukunft der Mobilität zu teilen.

Urban Windelen

Geschäftsführer Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. (BVES)

Urban Windelen ist eine angesehene Persönlichkeit in der Energiebranche und vertritt derzeit den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BVES). Mit einer Fülle an Erfahrungen in Energiepolitik, Regulierung und Marktentwicklung hat Urban Windelen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Energielandschaft in Deutschland gespielt. Seine Expertise umfasst Energiemarktdesign, Netzexpansion und die Integration erneuerbarer Energiequellen. Als vertrauenswürdige Stimme in der Branche wird er häufig von Politikern und Branchenführern konsultiert.

Thomas Timke

Solarwatt

Thomas Timke ist ein Experte für erneuerbare Energien und eine Schlüsselfigur bei Solarwatt, einem führenden Anbieter von Solar-Energie-Lösungen. Mit einem tiefen Verständnis des Energiewandels hat Thomas Timke maßgeblich zum Einsatz von Solarstrom und Energiespeichersystemen beigetragen. Seine Expertise umfasst Solartechnologie, Energiespeicherung und Netzintegration. Als leidenschaftlicher Befürworter einer nachhaltigen Energiezukunft ist er gefragter Sprecher und Berater in der erneuerbaren Energiebranche.

Phillip Miersch

Projektmanager Netzintegration neuer Player, Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN)

Philip Miersch ist ein renommierter Experte auf dem Gebiet der Energietechnologie und Normung und arbeitet derzeit bei VDE FNN, dem Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Mit einem starken Hintergrund in Elektrotechnik und Normung hat er bedeutende Beiträge zur Entwicklung intelligenter Netztechnologien und Energieeffizienzstandards geleistet. Seine Expertise umfasst Netzausbau, Elektrofahrzeug-Ladeinfrastruktur und Cybersicherheit im Energiebereich. Als anerkannte Autorität auf seinem Gebiet ist Philip Miersch ein gefragter Sprecher auf Branchenkonferenzen und ein vertrauenswürdiger Berater für Politiker und Branchenführer.

Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm

Hochschule Bremen, Fakultät 4 Elektrotechnik und Informatik

Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm ist ein angesehener Wissenschaftler und Forscher auf dem Gebiet der Elektrotechnik und Informatik und lehrt derzeit an der Hochschule Bremen. Mit einem starken Hintergrund in elektrischer Energietechnik, Stromnetzen und Netzintegration von EE sowie Speichern hat Prof. Dr.-Ing. Thomas Kumm bedeutende Beiträge zur Entwicklung innovativer Technologien und Lösungen geleistet. Seine Expertise umfasst Anwendungen der Netzautomatisierung, Netzstabilität und des Asset Management in kritischen Infrastrukturen. Als respektierter Hochschullehrer und Forscher ist er ein gefragter Sprecher und Berater auf den Gebieten Technologie und Innovation.

Beitragsbild: Negro Elkha / stock.adobe.com

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